Weinprobe in Saint-Émilion
Aus der Ferne klingt Saint Emilion für jemanden, der gerne einen kräftigen, vollmundigen “Franzosen” trinkt, wie eine Verheißung. Der Rotwein aus dem ca 5.400 Hektar großen Anbaugebiet rund um die namengebende Kleinstadt gehört zu den weltbekannten Weinlagen im Bordelais. Winzer, deren “Clos” auf dem kleinen Kalkplateau rund um das mittelalterliche Städtchen liegen, haben durchaus das “Große Los” gezogen. In den mit Mauern umfriedeten Weinbergen wachsen die Reben, aus denen man die “Grand Cru Classés” keltert, Spitzenweine, für die Weinliebhaber gerne auch Spitzenpreise zahlen.
Doch vor Ort den “richtigen” Wein zu finden ist gar nicht so einfach. Animiert von einem dezenten Schild am Straßenrand habe ich mich gerne einladen lassen zu einer “degustation” in einem dieser Chateaus mit dem Zusatz “Grand Cru Classé”. Der Winzer war freundlich, der Wein war fabelhaft und der Preis, … formidabel. Angesichts einer dezent auf einem eleganten Werbeflyer präsentierten Zahl deutlich über “50” für eine Flasche der jüngsten Abfüllung war mir auch ohne Währungsangabe sofort klar, dass ich in diesem Haus keinen Wein für Oberstudienräte finden würde.
Mein zweiter Versuch führte mich zum “La Maison Du Vin”. Der repräsentative Laden der örtlichen Weinbauschule liegt oberhalb des Ortes, und wirbt damit, dass er immerhin 300 Weine aus der Region zum Verkauf vorhält, zu Erzeugerpreisen versteht sich. Der erste Lichtblick war: zumindest in der Klasse Grand Cru ohne “classé” gibt es offensichtlich auch Weine, die sich mit meinem Budget vertragen.
Einen zweiten Lichtblick gab es dann leider nicht mehr. Auf die Frage, ob man denn einen ins Auge gefassten Wein auch mal probieren dürfe, erklärte man mir in gebrochenem Englisch, dass man sich dafür im jeweiligen Chateau anmelden solle, um dort eine “Degustation” zu vereinbaren, was aber angesichts der saisonbedingten Arbeitsbelastung der Winzer nicht immer sofort möglich sei. Ein ad hoc Besuch war also mit anderen Worten nicht aussichtsreich. Und einen Wein kaufen, den man vorher nicht probieren durfte ist ungefähr so, wie Kleider aus dem Internet oder per Katalog bestellen, mit dem wesentlichen und letztendlich entscheidenden Unterschied, dass man den Wein nicht wieder zurückschicken kann, wenn er einem nicht gefällt.
Eine Liste von über 500 Winzern in der Appellation St. Emilion, die mir von einer freundlichen Hostesse in benachbarten Touristinformation zusammen mit einem beachtlichen Bündel an Broschüren und Flyern überreicht wurde, enthielt zwar die erforderlichen Telefonnummern, schien mir aber für meine Suche nach dem passenden Wein in Anbetracht der Auskunft ihres Kollegen aus der Weinboutique nicht sehr hilfreich. Und auch der Hinweis auf den Winzer des Tages, der sein Weingut für Besucher geöffnet habe, war mit einem großen Fragezeichen verbunden, was die Aussicht auf einen Erfolg meiner Suche nach dem passenden Wein betrifft.
Also wenn schon “Lotteriespiel”, warum dann nicht einfach um den Ort herumkurven, und Ausschau halten nach der Schilderkombination “Degustation” und “Ouvert” in Verbindung mit einem insgesamt gepflegten Erscheinungsbild des “Chateaus”. Und ich wurde fündig: Ein architektonisch auffälliges, weil modernes Gebäude, davor eine kleine Gruppe Weintouristen, Amerikaner und Australier wie sich später herausstellte, die offensichtlich auf ihren Rundgang durch den Weinbaubetrieb warteten. Daneben ein Schild, das einen moderaten Preis für Führung und Verkostung verlangte. Ich war dabei.
Die Führung durch das Chateau “La Croisille” gestaltete sich dann auch ganz nett und hatte einen roten Faden, der in etwa hieß: Flämische Familie kauft traditionsreiches Chateau und führt es in eine moderne, erfolgreiche Zukunft. Gezeigt wurde die traditionelle Betriebsweise und Weinkultur im Hightechzeitalter und Weinpräsentation in schickem Ambiente. Und der Wein: Ein Grand Cru St. Emillion, gefällig aber auch teuer. Die einfachere Variante war billiger, aber nicht ganz mein Geschmack.
Fündig wurde ich dann schließlich in einem Laden im Ort Saint Emillion. Die Weinhändlerin ließ mich probieren was ich wollte, gab Auskunft über den Produzenten, und beantwortete meine Fragen zufriedenstellend in einer Mischung aus Französisch und Englisch. Ich habe zwar nicht alles verstanden, aber am Ende hatte ich einen Karton St. Emilion Grand Cru, einen Wein, der mir gefiel und ich wusste, welche Kunden ihren teuersten Wein zu 450,- € die Flasche kaufen, … reiche Chinesen . Na denn Prost.